Freitag, 6. März 2009

Gestickte Bilder meines Urgroßvaters

Mein Urgroßvater mütterlicherseits war ein Arzt, der in Warszawa vor dem 1. Weltkrieg praktizierte. Ein Lebemann, intelligent, belesen, elegant angezogen. Ich kannte ihn nicht. Selbsverständlich, werde ich sagen, weil es durchaus selten vorkommt, dass man die Urgroßväter oder -mütter kennt. Von meinen acht Urgroßeltern kannte ich als Kind nur eine Uroma, Babcia Jadwiga (eigentlich Prababcia, aber niemand nannte sie so, ich auch nicht), Großmutter meines Vaters. Ein kleines flinkes Weibchen, das wir an Sonntagen nach dem Morgenspaziergang am Meeresufer zum sog. zweiten Frühstück besuchten. Einmal gab sie mir ihre schöne, elegante Lederhalbschuhe, weil sie meinte, dass sie zu unbequem für eine alte Frau sind. Sie waren tatsächlich verdammt unbequem, aber im Alter von 7 Jahren ging mir die Schönheit vor der Bequemlichkeit, und da ich selten schöne Anziehsachen besass, paradierte ich sehr stolz in meinen feinen kastanienbrauen Lederschühchen. Nie im Leben hätte ich zugegeben, dass meine Füße darunter leiden. Was ich nicht wusste, war die Tatsache, dass zu kleine und zu harte Schuhe die zarte Kinderfüss für immer verunstalten können. Die Schuhe sind ziemlich schnell hin, von unserem Hund zernagt, meine Füsse blieben aber für immer verformt. Ach ja, die Eleganz der kleinen Damen.
Aber zurück zu meinem Urgroßvater mütterlicherseits. Er war mit einem berühmten polnischer Abenteurer befreundet, der überall in Asien zu verschiedener Forschungsexpeditionen hingegangen ist, und der aus seinen Reisen verschiedene seltene exotische Sachen mitgebracht hatte. Aus diesem Fundus bekam mein Urgroßvater als sozusagen Arzthonorar drei chinesische auf der Seide gestickte Bilder, zwei aus China und ein aus dem Mandschukao, die sich bis heute in unserem Familienbesitz befinden. Das ist in sich eine geheimnisvolle Sache, weil die Familie während des Krieges in die sieben Seiten der Welt verstreut, verlor eigentlich alles, Geld, Aktien, Kunststücke und Grundstücke, aber diese drei Bilder haben sich irgendwie retten lassen.


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