Freitag, 25. Juli 2008

Obama

Der Obama war in Berlin. Aufregende Sache. Die Presse sagt, das 215 tausend Leute kamen, um gestern seine Rede zu hören. Es war ein Fest für Weiße und Schwarze, die gemeinsam ihre Sache feierten. Keine Türken, keine Araber, keine Chinesen. Auch keine sichtbare Polen oder Russen, die man sonst überall trifft. Farbe schwarz-weiß, Sprachen: Deutsch und Englisch. Homogenität einer neuen Welt, der Welt der westlichen Zivilisation. Noch vor zehn Jahren wären die Sprachen gleich gewesen, es wäre aber das Fest der Weißen. Dank Obama hat sich der Begriff der Gemeinsamkeit der Motive, Zwecke und Ziele um die schwarze Amerikaner erweitert.

Der Mann auf dem Foto war der einzige Chinese (?), den ich während der Veranstaltung gesehen habe. Er trug noch eine Beijing-Mütze, es ist mir aber nicht gelungen, auch sie zu fotografieren.

Obama hat mindestens zwei Sätze gesagt, die von Bedeutung sind. Berlin sei die Stadt, die weißt, was es bedeutet, um Freiheit zu ringen. Das war der Satz für Berlin als Symbol Europas. Und es ist der Augenblick gekommen, dass wir sagen sollen, der 21. Jahrhundert soll ein Jahrhundert ohne nuklear Waffen sein. Das war nicht nur ein unglaubliches Novum im Mund eines Mannes, der vielleicht bald ein mächtigster Politiker der Welt sein wird, es war zugleich eine schwarz-weiße west-zivilisierte Botschaft an Asien, an Irak, Iran, Pakistan, Korea.

Mittwoch, 23. Juli 2008

Pearl S. Buck

Die nächsten Literatur-Chinesen, die ich nach der schrecklichen Erfahrung mit "Die fünf Brüder Li", kennengelernt habe, kamen mit den Bücher von Pearl S. Buck. Sie ist eine Autorin gewesen, die in Polen recht berühmt war und als ich 1985 nach Berlin kam, wunderte ich mich nicht wenig, dass sie in Deutschland so gut wie unbekannt war. Ihre Bücher sind zwar ins Deutsche übersetzt worden, ich habe sie hier auch fast alle gelesen, aber spreche ich mit meinen Freunden, da kennt sie kein Mensch, obwohl wiederum Wikipedia behauptete, sie erfreut sich eine regelrechte Beliebtheit.

Pearl Sydenstricker Buck (chinesischer Name Sai Zhenzhu; Pseudonym John Sedges; * 26. Juni 1892 in Hillsboro, West-Virginia; † 6. März 1973 in Danby, Vermont) war eine US-amerikanische Schriftstellerin und Literaturnobelpreisträgerin. Als Tochter eines Missionars verbrachte sie einen Teil ihrer Kindheit im Kaiserreich China. Sie studierte in den USA, arbeitete später als Professorin für englische Literatur im chinesischen Nanking. Die Konfrontation mit amerikanischer und fernöstlicher Kultur hatte einen großen Einfluss auf das Werk der Schriftstellerin, die sich für Toleranz und Völkerverständigung einsetzte.

1932 erhielt sie für ihren wahrscheinlich berühmtesten Roman Die gute Erde den Pulitzer-Preis und 1938 wurde sie „für ihre reichen und wahrhaft epischen Schilderungen des chinesischen Bauernlebens und für ihre biographischen Meisterwerke“ mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.

Die Verleihung des Literaturnobelpreises an Pearl S. Buck gehört zu den umstrittenen Entscheidungen des Nobelpreiskomitees und ist bereits bei der damaligen Verleihung auf vielfaches Unverständnis gestoßen. Viele Kritiker messen der Autorin keinen großen literarischen Rang bei und zählen ihre Romane eher zur Trivialliteratur. Die seither geltende Regelung, den Nobelpreis nur an Autoren zu verleihen, die bereits vorher mindestens einmal dafür nominiert waren, wird in den Feuilletons bis heute „Lex Buck“ genannt.

Das in Polen berühmteste Buch von ihr hieß "Spowiedź Chinki" / Beichte einer Chinesin - so wurde der englische Titel East wind, west wind (Roman, 1930; dt.: Ostwind – Westwind, 1934) übersetzt. Jetzt grübele ich darüber, weshalb ich gerade dieses Buch von Peral S. Buck so gern hatte. Alle andere ließen mich ziemlich kalt, ich habe sie gelesen und das war`s. Dieses Buch liebte ich aber. Ich glaube, ich habe es mindestens 20 Mal gelesen und bis heute kann ich die Handlung ganz genau nacherzählen. Ein junger Chinese, der in den USA studiert hat, kehrt nach Hause zurück und heiratet eine junge Chinesin, die für ihn von den Eltern ausgesucht wurde. Er liebt sie nicht, gibt sich aber Mühe, ihr ein guter Ehemann zu sein... Die Protagonistin ist schön, kleidet sich schön, legt jeden Tag das perfekte chinesische Make-up an, trotzdem kann sie die Liebe ihres Mannes nicht gewinnen. Er ist ein moderner Chinese, er kennt die Welt, er kann mit dieser chinesischen Puppe, die ihm ins Bett gelegt wurde, wenig anfangen. Er erwartet von ihr, dass sie ebenfalls modern denkt und den alten chinesischen Sitten, die sie zu Sklavin ihres Mannes und seiner Familie machen, Stirn hält. Das kann sie wiederum nicht. Schon alleine die Tatsache, dass sie mit ihrem Mann in eigener Wohnung und nicht bei den Schwiegereltern wohnt, ist ihr ungeheuer. Dann ist ihr erster Sohn geboren. Nach den Regeln der Tradition soll das Kind nach einer Woche den Schwiegereltern abgegeben werden. Der älteste Nachkomme hat im Familien- und Ahnenhaus aufzuwachsen, und sie weisst, dass sie sich dem harten Familienrecht beugen muss. Ihr Ehemann entscheidetjedoch anders: Das Kind bleibt zu Hause bei den Eltern. Jetzt liebt sie ihren Mann wirklich, nicht nur deshalb, weil er ihr Ehemann ist. Sie entscheidet sich für ihn und daher auch für etwas, was ein symbolischer Bruch mit der altertümlichen Sitten ist: Sie wird für ihr Ehemann ihre Füße entbinden. Es ist eine mit Schmerz, Qual und Pein geladene Entscheidung. Sie leidet tierisch und weint wie ein Kind, braucht Trost und Hilfe. Er tröstet sie, versorgt ihre Füße, trägt sie auf den Händen, damit sie mit ihren wunden Füßen nicht laufen muss. "So gewann ich seine Liebe, schreibt sie in ihrer Beichte. Das, was ich durch meine Schönheit nicht erreicht habe, kam mit meinem schrecklichen Leid zusammen."

War es das? Wollte ich auch jemandem, der sich Mühe geben würde, mich zu lieben, nicht weil ich schön bin? Ich war nicht schön, schön war meine jüngere Schwester, und weil ich nicht schön war, musste ich für mein Leben andere Lösung suchen. Es gab ein paar verschiedene Lösungen. "Liebe für Leid" war eine chinesische Variante. Eine modern-europäische war "Liebe für Intelligenz" oder wie man es über Brechts Frauen kurz und gnadenlos sagte "Sex für Text". Die chinesische Variante war für mich zu schwierig. So bin ich Schriftstellerin geworden.

Montag, 21. Juli 2008

Wyspiański. "Chińczycy trzymają się mocno"

Hochzeit (Wesele) von Stanisław Wyspiański war (und ist) eine Pflichtlektüre in allen möglichen polnischen Schülen. Eine von der seltene Sorte, die man ohnehin gern liest. Weil es ein Supertext ist.

Stanisław Wyspiański (* 15. Januar 1869 in Krakau; † 28. November 1907 ebenda) war ein polnischer Künstler und Angehöriger der Bewegung „Junges Polen“.

Während eines Studienaufenthaltes in Paris wurde er durch die Richtung der Art Nouveau beeinflusst, aber auch durch die Begegnung mit Künstlern aus dem Kreis um Paul Gauguin. Ebenso wurde er mit der Malerei des Norwegers Edvard Munch bekannt gemacht.

Wyspiański war als Maler und Zeichner tätig und entwarf Ornamente, Bühnendekorationen und Glasfenster. Zu letzteren zählen beispielsweise die Fenster der Franziskanerkirche in Krakau. Darüber hinaus verfasste er mehrere Theaterstücke, in denen er Themen aus Mythologie und Sagen, aber auch aus der polnischen Geschichte verarbeitete. Sein wohl bekanntestes Stück ist „Wesele“ (Hochzeit) von 1901. Dieses basierte auf der im Jahr zuvor tatsächlich stattgefundenen Hochzeit seines Freundes Lucjan Rydel mit einer Bauerntochter aus einem Dorf bei Krakau und rief bei seiner Uraufführung einen Skandal hervor. 1973 wurde „Wesele“ von Andrzej Wajda verfilmt.

Die Werke Wyspiańskis sind heute in vielen polnischen Museen zu finden, unter anderem im Wyspiański-Museum in Krakau.

In Hochzeit wimmelt es von verschiedener Figuren, Krakauer Bohemier treffen an einfache Bauer, Geister verkehren mit Adeligen, Kinder spielen mit den Symbolen polnischer Unabhängigkeit und des Versagenstums. Man spricht über Politik. Fast am Anfang gibt es ein Dialog, die jeder Pole gern zitiert. "Was tut sich in der Politik, mein Herr?" - fragt einer der Gäste. "Die Chinesen halten sich stark" - antwortet ein anderer. "Chińczycy trzymają się mocno".

Mahjong

Seit eh spielten wir immer Mahjong. Als ich Kind war, spielten die Erwachsenen, und wir, die schon erwähnten vier Mädchen (siehe Post: "Die fünf Brüder Li") schauten nur neidisch zu. Das Spiel war wunderschön, schon von Aussehen her mutete es zum Ästhetischen zu. Jeder hölzerne, mit Elfenbeinimitat belegte Stein war ein Kunststück in sich: Delikate, präzise Zeichnungen von Blumen, Vögel, Drachen, Landschaften, chinesische Schriftypes. Aber das Clou waren die Namen der Steinesets, die man auslegen sollte: Mond übers Wasser, Sammeln der Pflaumenblüten vom Dach, Lilie im Tal... Irgendwann, in den 70., als der Großonkel und die Großtante nicht mehr lebten, hörten die Erwachsenen auf, den Mahjong zu spielen.
Ich war die glückliche Fortsetzerin der Tradition. Man hat mir das Spiel gegeben und ich brachte es meinem Mann und unseren Freunden bei. Wir waren zwei jung verheiratete Paare mit kleinen Kindern, und wenn unser Sohn eingeschlafen war, nahmen wir das Spiel und gingen um die Ecke zu Malgosia und Leszek. Das besondere bei Malgosia und Leszek war, dass sie Konditoreibesitzer waren und servierten zum Spiel den Käsekuchen und eine Art polnischer Stollen, "Keks" genannt. Wir assen (und es machte nicht dick), wir spielten (und es war keine Zeitverschwendung) und wir diskutierten über die Politik (und es hat uns weiter gebracht, zur Solidarność, Kriegsrecht, Untergrundtätigkeit und Emmigration nach Berlin). Insgesamt waren es echt schöne Zeiten, vielleicht auch deshalb, dass wir jung waren, und alles noch vor uns lag wie ein weites viel versprechendes Feld. In Berlin versuchten wir die Spieltradition noch zu beleben, aber es klappte nicht. Kein Mensch hatte Zeit stundenlang zu spielen, vom Kuchen wurden alle dick (nur ich nicht :-) und die Politik kam über uns alle wie eine Teigrolle, machte uns platt und brachte uns 10 Jahre später den Mauerfall, dann Frustration und jetzt auch Globalisierung und die Chinesische Gefahr, die niemand so richtig als Gefahr wahr nimmt.
Den Mahjong spiele ich jetzt alleine. Mit dem Computer. Aber es ist nicht dasselbe.

Zeitungsnotizen

Die nähernden Olympia-Spiele bewirken, dass man jeden Tag mehrere Zeitungsartikel zum Thema "China" finden kann. Sie sind so, wie der Journalismus heutzutage ist: interessant, spektakulär und ohne tieferen Sinn. Oberflächliche Belanglosigkeiten. Jede für sich, auch wenn man darauf zu gehen scheint, dass z.B. Doping ein Problem unserer Gesellschaft ist, und nicht eine Merkwürdigkeit in China.

Sonntag, 20. Juli 2008

Heimliche chinesiche Alltagsgegenstände

Bücher meiner Kindheit



Futuristik

Ich glaube, ich weiss, wie es sich abspielen wird. Oder schon abspielt.

Jeder der über den Gechäftssinn verfügt, läßt seine Sachen in China produzieren. Er importiert sie, bestellt sie in China, oder gründet dort eine Fabrik. Dadurch gibt es immer weniger Arbeit in Europa. Weniger Arbeitsplätze und weniger kleine Firmen. Und der Wohlstand eines Landes hängt nicht von grosser Industrie ab, sondern vom Mittelstand. Große Industrie zahlt sowieso kaum Steuer und schafft das geld aus dem Land. Es ist Mittelstand, der uns aushält. Also wir werden ärmer. Eigentlich sind wir schon ärmer. Daher suchen wir billige Sachen, weil für teure reicht uns das Geld nicht. Billige Sachen kommen aus China. Die werden von Chinesen geliefert. Teure Sachen kommen auch aus China - Chucks sind nicht billiger, weil sie in China hergestellt sind, der Hersteller von Chucks verdient mehr.

Egal. Weniger Arbeit, weniger Geld, jeder kauft billig, daher weniger Arbeit und weniger Geld, wir müssen noch billiger kaufen. Da kaufen wir keine Chucks mehr, sondern gleiche Schuhe, die uns nicht von Nike verkauft werden, sondern von denen, die sie billig in Chinavon den Chinesen gekauft haben. Irgendwann werden die Chinesen fest stellen, dass es bei uns genug kleine und grössere Betriebe gibt, wo sie ihre Sachen vor Ort produzieren können. Sie werden von Chinesen gekauft. Zuerst werden dort Chinesen arbeiten, irgendwann aber für den gleichen chinesischen Lohn werden wir dort arbeit suchen. Sie werden Europa übernehmen. So wird es werden.
Das weiss ich seit ein paar Jahren, aber ich dachte, es wird ca. 20 Jahre dauern, bis es so weit ist. Die Zukunft, die ich sah, war nicht meine Zukunft. Ich dachte, dass ich da längst tot werde. Jetzt bin ich es mir nicht sicher. Es geht schnell.

Noch trage ich Chucks von Nike. Wie lange aber?

berlinartprincess

"OK, es gibt noch eine Bloggerin, die sich mit den Chinesen beschäftigt. Berlin Art Princess. Da ich nicht weiss, wie man einen Blog mit dem anderen verlinkt (ich bin mir sicher, es gibt eine Methode, und sicher - ist sie kinderleicht, und jeder user kennt sie, nur ich nicht) , tue ich es auf die einfache Weise - per link. Der Blog ist sowieso witzig und es lohnt, all die Posts zu lesen, aber für meine Zwecke möchte ich die Lektüre des Posts "Monkey and Saints" empfehlen. Und jetzt der link: berlinartprincess

Samstag, 19. Juli 2008

Zeit

Ich saß alleine in meinem Zugabteil, da kam noch jemand rein. Ein Mann. Anzug, Aktentasche, Brille. Schwarzes glattes Haar. Ein Chinese. Er nahm sich den anderen Fensterplatz, mir gegenüber, legte seine Aktentasche beiseite, holte ein Stapelpapiere und einen eleganten Kugelschreiber. Er arbeitete, ich las. Irgendwann, irgendwo zwischen Berlin und Warschau, legte er seine Papiere ab, schaute mich an und fragte, ob ich Englisch spreche. Ja, das tue ich. Aha, nickte er und schwieg. Aha, nickte ich und schwieg ebenfalls. Ich war müde. Ich schaute auf die Uhr (damals trug ich noch eine Uhr). Noch 2,5 Stunden. Ein paar Minuten später fragte mich der Chinese, wie spät es sei? Ich schaute erneut auf die Uhr. 11.47 Uhr sagte ich. Dafür hasse ich euch Europäer, sagte er, sichtlich aufgeregt. Wofür? fragte ich. Ihr schaut auf die Uhr alle fünf Minuten, aber ihr wisst nie, wie spät es ist.
Er grinste. Dies schien mir ein Zeichen zu sein, dass er es mit dem Hass nicht so wörtlich meint.


Erst vor ein paar Tagen hat mir eine Frau erzählt, dass die Chinesen grinsen, wenn sie ihre unfreundliche Gefühle verbergen möchten. Die Straße voll grinsender Chinesen bedeutet in Wirklichkeit eine geballte Feindlichkeit. Der grinsende Chinese im Zugabteil ist mein Feind und er meint es wörtlich mit seinem Hass.
Ich grinse.

Chucks

Im Sommerheft des Zeit-Magazins vom 17. Juli fand ich einen schönen und interessanten Text über Chucks, geschrieben von Georg Diez. Der Autor weißt sehr viel über Chucks, diese wunderbare Schuhe der Firma Convers, die zuerst von Sportler benutzt wurden - daher auch ihr gängiger Name: Chucks. Von Chuck Taylor, einen amerikanischen Basketballer, der die Schuhe 1932 eigenhändig signierte. Danach wurden sie von Rockabillys getragen, und darunter auch von James Dean, 20 Jahre später kamen sie wieder hoch, diesmal als Markenzeichen von Punk, Wut und Protest, deren Vertreter die Ramones waren. Es sind wieder 20 Jahre vergangen, bis die Chucks ihren neuen Platz in der Popkultur erreichten, zusammen mit Grunge und, auch hier ein großer Name, Kurt Cobain. Immer sind sie amerikanisch, die Schuhe, die man seit 1907 in den USA hergestellt hatte. Bis 2001. Dann gab es große Pleite, die Firma Convers meldete Insolvenz an und wurde zwei Jahre später von Nike gekauft. Das wusste ich nicht, als ich meine Chucks vor 3 Jahren gekauft habe. Ich kaufte sie wegen des Namens Convers, aber auch, oder vor allem, weil wir in unseren Jugend-Zeiten in Polen sehr gern sogenannte "trampki" trugen, eine polnische, billige Version von Chucks. Gute "trampki" halten für vieles her und mehr noch: Sie waren echt billig. Sie halten für die Wanderschuhe her, und wir wanderten gern, die Studenten in den Spät-60./Früh-70. in Polen. Aber auch für Hippies-Outfit waren sie gut zu verwenden und als der Punk ausbrach, waren sie anstelle der unerreichbaren Martens auch da. Dann verschwanden sie, oder vielleicht war es nur so, dass ich aus Polen verschwand und mich ein Jahrzehnt lang mit Feminismus beschäftigte, der in den 80ern in Deutschland total Mode- und Trendfeindlich war. Egal, irgendwann entedeckte ich die Chucks wieder. Es wunderte mich zwar, dass sie im Gegensatz zu polnischen "trampki" unglaublich teuer waren, aber was soll es... für gute "trampki" war ich bereit 80 € zu bezahlen. Es sind wunderbare Schuhe, drinnen rosa, aussen - schwarz, mit weißen Gummiansätzen und Senkel, die sich somit zu fast jeder Farbkombination tragen lassen.
Ja, und Chinesen?
So. Ich bin also überzeugte Chucks-Benutzerin. War also klar, dass ich den Artikel in Die Zeit gern zum Samstagskaffee gelesen habe. Interessant, interessant, was der Diez alles über Converse zu berichten weisst. Und dann der letzte Absatz, der eigentlich ein langer Satz ist, ohne "Ab": Das also war das Jahrhundert von Converse, das an ein Ende kommt, es war ein Jahrhundert, in dem Amerika die Wirtschaft, die Kultur, die Kriege der Welt beherrschte, es war das amerikanische Jahrhundert, und wie lange das noch dauert, das kann man ja die Chinesen fragen, die heute die Chucks produzieren".
Ich frage mich, kann es sein, dass unsere polnische "trampki" auch aus China kamen? Zusammen mit duftenden Radiergummis und Plastikkörbchen? Ich weiß es nicht mehr...

Samstag, 12. Juli 2008

Schöne Sachen


Irgendwann besuchten uns doch Chinesen zu Hause. Ich glaube kaum, dass es die Chinesen aus dem Konsulat waren, aber ich weiß auch nicht, wer sie waren? Da meine Eltern nicht mehr leben, werde ich nie erfahren, woher sie kamen? Und weshalb? In meiner Kindheit verkehrten meine Eltern mit sehr merkwürdigen Menschen. Ich kann mich sehr gut an einem Besuch eines Indianers mit Federkopfschmuck erinnern. Es war Sat Okh, ein polnischer Schriftsteller, Halb Indianer und Halb Pole. Aus der Wikipedia:

Sat Okh ("Lange Feder") (* 15. April 1920 Kanada; † 3. Juli 2003 Danzig) war Sohn eines Shawnee-Indianers und einer polnischen Mutter. Er wurde in Kanada geboren und kam kurz vor dem 2. Weltkrieg mit seiner Mutter nach Polen. Nach dem Ausbruch des Krieges wurde er von den Deutschen verhaftet. Während des Transports zum Konzentrationslager Auschwitz konnte er fliehen, kämpfte gegen die deutsche Besatzung und ließ sich nach dem Krieg unter dem Namen Stanislaw Suplatowicz nieder. Er arbeitete anfangs als Matrose, ab 1958 begann er Bücher über das Leben der Indianer zu schreiben, die teilweise auch auf Deutsch erschienen. Er starb 2003 in Danzig. Also Gdansk. Also meine Heimatstadt.

Irgendeinmal nach einem Konzert kamen zu uns nach Hause etwa dreißig chilenisischen Tänzer und Musiker. An sie kann ich mich auch sehr gut erinnern. Und irgendwann kamen auch Chinesen, an die ich mich überhaupt erinnern kann. Sie brachten aber Geschenke, an die ich mich sehr gut erinnern kann. Laute schöne Sachen. Und dünn. Irgendwie war eine der wichtigsten Eigenschaften all dieser Gegenstände, dass sie dünn waren. Hauchdünn. Ein dünner schneeweißer Briefmesser aus einem Knochen mit einem geschnitzten Kranich verziert. Fünf schwarze und rote Papierschnitte, filigran und spitzenähnlich. Zwei Bücher, jedes in seinem eigenen, seidenbezogenen Holzschachtel, der mit je zwei kleinen Knochensplitter verschließbar war. Die Seiten der Bücher bestanden aus vier hauchdünnen, durchsichtigen, weißen Papier- Schichten und wurden mit Abbildungen chinesischer Wasserfarbenmalerei bedruckt. Blumen, Blätter, Vögel... Sie waren sogar schöner als hellrosa Radiergummi, die duftete. Sie waren das Schönste, was ich je gesehen habe.

Sollen Kinder besser heute schon Chinesisch lernen?

Q110 journal. Dunkle Menschensilhouetten, die auf einer Eine Werbe-Zeitschrift mit diesem Titel und den Untertitel "Aktuelles aus der Deutschen Bank der Zukunft" bekam ich gestern mit meiner Berliner Zeitung. Auf dem CoverTerasse inmitten lauter Himmelkratzer einen Tanz mit roten Fanen ausüben. China - Land in Bewegung. Boom ohne Ende. Seite 7.
Die Skyscraper-Skyline kommt noch mals zur Schau auf der Seite 7. Es ist die Skyline von Shanghai. Dazu ein Interview mit irgendeinem Consulter / Spezialisten. Auf der Seite 7 kommt die Bildunterschrift vom Cover nochmals, diesmal mit einem Fragezeichen: Boom ohne Ende? Der Spezialist bejaht die Frage. Boom ohne Ende. 10 % Wirtschaftswachstum jährlich. Man ist ja ehrlich, sieht ja auch Gefahren: Soziale Spannungen ergeben sich wegen immer größerer Einkommensunterschiede, auch solche zwischen Stadt und Land. Die rasch steigenden Energie- und Nahrungsmittelpreise tun ihr Übriges. Und zwei Fragen weiter: Das Hinterland in die Wirtschaft zu integrieren, dauert Jahrzehnte. Um das zu versetehen, mag man bedenken, wie schwer es ist, Ostdeutschland zu integrieren, dabei war der Entwicklungsstand viel höher.
Die Gefahren sind, bitte sehr, nett und bleiben da, wo sie bleiben sollen - in China nämlich.
Und das Land selber ist für einem renommierten Volkswirt ein Musterknabe. China ist bei Durchführung der Reformen (...) sehr erfolgreich (...). Deutschland fehlt dieser Reformwille. (...) Derzeit gehört China zu den W a c h s t u m m o t o r e n d e r W e l t. Deutschland nicht.
Und die letzte Frage: Sollen Kinder besser heute schon Chinesisch lernen?

Der Spezialist antwortet nüchtern: Chinesisch ist für Europäer eine wichtige Drittsprache. Erst einmal sollte man alles daran setzen, dass unsere Kinder Englisch sprechen, das ist und bleibt die wichtigste Sprache der Welt.

Heute schon. Morgen aber?


Hundefleisch

In Berliner Zeitung von heute auf der ersten Seite gelesen:

Kein Hundefleisch in
Olympia-Restaurants

PEKING.
Während der Olympischen
Spiele müssen die Chinesen auf eine
beliebte Spezialität verzichten: Die
Behörden haben die 112 offiziellen
Olympia-Restaurants in Peking
angewiesen, kein Hundefleisch anzu-
bieten. Auch andere Restaurants
wurden laut Xinhua aufgefordet,
Hunde von der Speisekarte zu
streichen. Damit solle auf die Ge-
pflogenheiten anderer Länder und
Nationalitäten Rücksicht genommen
werden.
(AFP)

Und was ist mit den Strassenbuden, in denen man einen gebratenen Scorpion am Stick kauft, diese knusprige Spezialität, die ein belibter Imbiss ist?

Donnerstag, 10. Juli 2008

Barbie und Haargummis

Giftige Barbie-Puppen, Spielzeuge mit rape drug (Für diejenige, die es nicht wissen - wie ich - so genannte "Date Rape Drugs" sind Drogen, die dazu benutzt werden, um eine sexuelle Annäherung zu unterstützen. Die Opfer werden hilflos bzw. willenlos gemacht, sodass sie nicht imstande sind, sich einem Geschlechtsverkehr zu widersetzen.Oftmals können sie sich nicht mehr erinnern, was geschah. Die Drogen sind normalerweise farblos, ohne Geruch oder Geschmack und können somit leicht in Getränke ohne das Wissen des Opfers hinzugefügt werden. Quelle), Haargummis hergestellt aus den gebrauchten Kondomen. Können AIDS-ansteckend sein.Ja, das alles wissen wir, das alles haben wir irgendwo gelesen. Und trotzdem machen wir uns keine Gedanken... Merkwürdig.



Hellrosa und Hellblau

Es hatte natürlich einen Grund gehabt, weshalb es in Langfuhr ein chinesisches Konsulat gab. Es existierte nämlich auch eine polnisch-chinesische Schiffgesellschaft "Chipolbrok" mit dem Sitz in Gdynia. Chinesische Volksrepublik ist am 1. Oktober 1949 gegründet worden. Sie ist also knapp ein Monat junger als ich. Polen war ein der ersten Staaten, die mit der neuen Republik diplomatische Beziehungen anknüpfte: schon am 7. Oktober. Sie verliefen zwar nicht immer reibungslos, sie wurden aber nie angebrochen. In den letzten Jahren sind sie sehr gut, sowohl auf den hohen Ebene, als auch ganz unten. Es entwickelten sich auch sehr gute Wirtschaftsbeziehungen. China ist der Haupthandelspartner Polens in Asien. Obwohl, zugegeben, wir exportieren wenig nach China. Dies muss sogar für einen Laien wir ich bedeuten, dass China viel nach Polen exportiert. So war es schon, als ich noch ein kleines Mädchen war. Durch die polnischen Seemänner, die auf den Schiffen von "Chipolbrok" arbeiteten, gelangten nach Gdansk rare schöne Sachen. China war immer ein Exporteur von raren schönen Sachen.

Im 18. Jahrhundert in Berlin oder Paris waren es Seide und Porzellan, in der gerade beginnenden zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren es Radiergummis, plastik Frühstücksbeutel und ebenfalls aus dem Kunststoff gefertigte kleine Mädchenkörbchen, die man als flache, filigrane, spitzenähnliche Bögen kaufte, um sie zu Hause mit ein paar Knicken in die Form eines verschließbaren Täschchen biegen. All diese Gegenstände waren hellrosa oder hellblau. Es war eine ästhetische Revolution im grauen Alltag des Frühsozialismus. Schon ein hellrosa Radiergummi in einer Federtasche war ein richtiger Hammer. Mit einem hellblauen Plastikkörbchen landete ein Mädchen auf dem Olymp. Und die Radiergummis dufteten!

Kleine schöne Gegenstände. Kleine schöne Chinesen, die es gewöhnt sind, geduldig in kleinen Schritten, schöne Gegenstände herzuzaubern. Sie arbeiten hart, bekommen sehr kleinen Stundenlohn, aber in 20 Jahren werden sie durch diese kleinen Schritte ganz ganz groß sein.

Schon jetzt ignorieren sie alle unsere Rechte und Lizenzen, klonen in diesen schönen kleinen Schritten alles, was sich nur klonen lässt, und stellen z.B. jährlich eine Milliarde T-Shirts für Europa her. Deshalb kann ich jetzt meine hellrosa und hellblauen T-Shirts für 1 Euro kaufen. In 20 Jahren werden wir sehr klein sein, so klein wie die fünf Brüder Li dem großen Chinesen gegenüber. Sie werden unsere Arbeitgeber werden und Eigentümer der Betriebe, in denen wir schuften werden. Für sehr sehr kleinen Lohn werden wir schöne kleine Gegenstände herstellen. Für wen nur? Sicher nicht für uns. Wir werden uns mit unserem täglichen Schüsselchen Reis vergnügen.

Ach, noch eins. Falls man mehr von Chipolbrok wissen möchte, kann man seine Homepage besuchen. Nicht vergessend jedoch, dass es eine sehr sehr ofizielle Ineternetseite ist, die eine Firma vorstellet, deren Hauptsitz sich in Shanghai befindet. Also im kommunistischen China.

Und noch eins.In einem Monat beginnen die Olympische Sommerspiele 2008. In Pekin.




Mittwoch, 9. Juli 2008

Die Fünf Brüder Li

Eigentlich waren die Chinesen schon immer da. Seit meiner Kindheit wusste ich, dass es sie gibt.
Wir wohnten in dem berühmten Vorort von Gdansk, in Langfuhr, der in den Romanen von Günter Grass so wichtige Rolle spielte. Für uns natürlich auch. Es gab alles in unserem Vorort. Es gab Kirche, dieselbe, die auch von Grass als Kind besucht wurde. Ein kleiner Park, wo ein kleiner Bach unheimlich unter dem Bürgersteig verschwand. Es gab Eisladen, Bäckerei, Kino, Buchladen, Kindergarten, Bibliothek, Fotoplastikon, zwei Konsulate - chinesisches und schwedisches, und, genau gegenüber unserem Haus, ein Kindertheater. In den Balkonen des chinesischen Konsulats hingen zwei große rote chinesische Lampions mit goldenen Fransen. Komischerweise haben wir aber nie einen Chinesen gesehen. Sie wohnten in ihren chinesischen Konsulat und gingen nie weder hinaus noch hin.
Wir dagegen gingen, außer Konsulate, überall hin. Ins Theater vielleicht am liebsten.
Im Sommer kam immer die Familie aus Warschau. Meine Tante, ihre zwei Töchter, Großonkel und Großtante. Es war wunderbar. Wir aßen Sauerbohnen und Mais mit Butter. Die Großtante buk Käsekuchen. Erwachsene spielten Bridge, alle paar Tage gab es Eis, der Großonkel erzählte Geschichten, und mindestens einmal gingen wir ins Theater. Wir das heißt wir, vier Mädchen, meine Schwester, meine zwei Cousinen und ich, sowie ein Erwachsener.
Ich war die älteste von uns vier, die jüngste von uns war vier Jahre jünger als ich. Ich glaube ich war zehn als der Großonkel uns zur Aufführung von "Die Fünf Brüder Li" ins Theater nahm.
Endlich haben wir Chinesen gesehen. Fünf kleine Puppen in weißen Kleider und spitzzulaufenden chinesischen Hüten. Aber, o Jesusmariaundheiligerjoseph, diese kleinen armen Puppen ackerten wie Tiere auf einem Reisfeld. Sie hungerten und baten um mehr Reis. Und dann kam ein großer Chinese, von einem Menschen gespielt, und, o Jesusmariaundheiligerjoseph, er hat die kleinen Puppen mit einem Knuten geschlagen. Ganz heftig. Wir fingen an zu weinen. Der Großonkel versuchte uns zu beruhigen. Zu erklären, dass es nur ein Symbol ist, der große Chinese soll ein böser Kapitalist sein... Vergeblich. Wir weinten immer lauter, schluchzten um die Wette, und da wir vier zusammen waren, verstärkten wir uns in unserem Weinen gegenseitig. Nach ein paar Minuten war es schon unerträglich. Alle schauten uns an, und dann nahm uns der Großonkel alle aus dem Theater raus, wir gingen Eis essen und beruhigten uns allmählich.
Seitdem galt es als schlimmste Familien-Bedrohung, dass, sollen wir nicht brav werden, man uns ins Theater nehmen wird, zur Aufführung von "Die Fünf Brüder Li".
Es war eine Erzählung geschrieben von einer polnischen Autorin, Maria Górska, aber wenn man unbedingt will, kann man sie auch auf Deutsch lesen, weil sie als Heft Nr. 25 in der Buchreihe "Goldene Leiter" in Österreich herausgegeben wurde. "Die Fünf Brüder Li. Chinesische Volkserzählungen und Tierschwänke". Geschrieben 1954.



Dienstag, 1. Juli 2008

Tibet

Natürlich - Tibet!